Reicher Speckgürtel und armes Brandenburg?

31.08.2017

Zum Thema "Reicher Speckgürtel und armes Brandenburg?" diskutierten am Mittwochabend Daniela Trochowski, Staatssekretärin im Brandenburgischen Finanzministerium, und ich in der Paul-Dessau-Gesamtschule Zeuthen.

Das Thema war mit einem Fragezeichen verbunden. Zum einen gehört der Speckgürtel auch zu Brandenburg und zum anderen gehören gleichwertige Lebensverhältnisse zur zentralen Leitvorstellung. 

Daniela Trochowski erinnerte daran, dass der kommunale Finanzausgleich (Reichensteuer) 2012 von der rot-roten Landesregierung in Brandenburg eingeführt wurde. Die wohlhabenden Kommunen zahlen eine Finanzausgleichsumlage, die dann den weniger wohlhabenden Kommunen und Landkreisen zugutekommt. Damit sollen beispielsweise Standortnachteile ausgeglichen werden. Im Wahlkreis 62 zahlen Schönefeld, Baruth/M. und Zossen in die Finanzausgleichsumlage ein.

Ich habe an Hand von Beispielen aufgezeigt, dass auch jenseits des Speckgürtels Städte und Gemeinden Bevölkerungszuzug haben.

78 % der in Deutschland lebenden Bevölkerung würde lieber auf dem Land, in einer Kleinstadt oder einer Mittelstadt leben und eben nicht in einer Großstadt. In der Realität sieht das oft anders aus. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Hauptgrund ist, dass der Arbeitsplatz und das Wohnen auf dem Land sich selten gut verbinden lassen.

Entscheidend für die Belebung des ländlichen Raums sind der ÖPNV und die Breitbandversorgung. Schnelles Internet ist kein Selbstzweck. Es ist zwingende Voraussetzung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Letztlich ist das schnelle Internet auch eine Voraussetzung dafür, dass auch im ländlichen Raum neue Arbeitsplätze entstehen können.

Darüber hinaus ist es wichtig in den Gemeinden mehr zu bieten als Wohnraum. Als gutes Beispiel habe ich den „Campus der Generationen“ in Werbig in der Gemeinde Niederer Fläming erwähnt. Das ehemalige Schulareal wird Schritt für Schritt zum „Campus der Generationen“ entwickelt. In der sanierten Mensa können auch Nichtschüler essen gehen. Angeboten wird auch ein Lieferservice. Darüber hinaus ist die Mensa gleichzeitig das „multifunktionale Dorfgemeinschaftshaus". In dem Schulgebäude werden neben der Grundschule auch eine Senioren-Tagesstätte und Einkaufsmöglichkeiten geschaffen. Das Beispiel zeigt, wie Mehrfunktionshäuser als Treffpunkt dienen und flexible Nutzungen ermöglichen können.

Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse kann auch durch ungleiche Maßnahmen ermöglicht werden, zum Beispiel durch selbstorganisierte Prozesse der Versorgung und der Mobilität.

Es braucht Maßnahmen, mit denen die Lebensqualität kleinerer und mittlerer Städte im ländlichen Raum und im Umland der Ballungsräume gesichert werden kann. Es gilt, Orte mit Strahlkraft zu stärken und Standorte mit Entwicklungspotential zu identifizieren. Sie sichern die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Fläche.

Die Menschen wollen eine nachhaltige Landwirtschaft und regionale Kreisläufe. Eine nachhaltige Landwirtschaft wiederum sichert und fördert die Wertschöpfung im ländlichen Raum. 

Während der Diskussion gab es u.a. eine Frage zur zunehmenden Versieglung im Speckgürtel. Der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr hat Auswirkungen auf die Umwelt. Versiegelte Flächen schaden Böden und begünstigen Hochwasser. Die Zersiedelung erzeugt zudem mehr Verkehr. Ich machte deutlich, dass die Neuversieglung in Deutschland bei derzeit ca. 60 – 70 ha/Tag liegt. Ziel ist es bis 2030 die Neuversieglung auf 30 ha/Tag zu reduzieren. Bis 2050 soll keine zusätzliche Versieglung mehr erfolgen.

Um die Neuversieglung zu verringern ist die Wiedernutzbarmachung von Brachflächen (ehem. Siedlungs-, Industrie-, Militärflächen) anzustreben. Ein gutes Beispiel hierfür ist das “Wohnen am See” in Zernsdorf. Das ehemalige Schwellenwerkes in Zernsdorf wurde zurückgebaut und die Fläche saniert. Dieses Wohngebiet hat keine zusätzliche Versieglungsfläche in Anspruch genommen.

Insgesamt müssen sich die Gemeinden im "Speckgürtel" überlegen, wie die Entwicklung in Zukunft aussehen soll. Die kommunale Planungshoheit ist ein hohes Gut. Sie umfasst das Recht der Gemeinde, die städtebauliche Entwicklung vorzugeben. Hier wird die Entscheidung getroffen, ob eine Gemeinde eine weitere Verdichtung zulassen will, oder ob das "Wohnen im Grünen" städtebauliche Zielvorstellung ist.

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